Dieses bekannte Lied der Comedian Harmonists war immer schon unsere Erkennungsmelodie. Wir beginnen mit dem „Kaktus“ in der Hand, die Noten auf den Lippen bis heute jedes Konzert so und wir finden immer wieder einen witzig – interessanten Bezug zwischen dem stachligen Maskottchen und dem aktuellen Programm. Der „Kaktus“ ist uns ans Herz gewachsen, nie aber haben wir das Intro vorweg gesungen, sondern fingen sofort mit den „Blumen im Garten“ an, wo doch erst das „Bam-ba-ram-ba-ram“ dem Lied den eigentlichen Schwung verleiht. Traute uns der Kapellmeister das crescendierende, chromatisch-rasche Silbengewirr nicht zu oder fand er es obsolet im Sinne von: gleich zur Sache bzw. zu den „Blumen im Garten“? Fragen über Fragen…. Wie dem auch sei, Bennos Geburtstag rückte näher und da kam uns die verwegene Idee, dem Gastgeber ein ganz besonderes Ständchen zu singen: den „Kaktus!“, heimlich einstudiert, aber nicht mit traditionellem, sondern mit eigenem unterlegtem Text von Franz–Josef „verziert“ und: mit dem Intro im Fokus des Liedes!
Lass uns nicht warten; wir wollen starten;
Jetzt heißt es vornweg präludieren,
Denn hier und heute, in unsrer Meute,
Woll’n wir das Kaktus-Lied verzieren.
Der kleine grüne Kaktus steht immer im Programm,
hollari, hollari, hollaro!
Ihm fehlt nicht Blatt und Krone, ihm fehlt auch nicht der Stamm,
hollari, hollari, hollaro!
Nur eines hat er nicht, wofür doch manches spricht,
Das zwar nicht gleich ins Auge, doch ins Ohr uns sticht:
Es fehlt die Ouvertüre, ganz ohne viel Tamtam!
Die geht wie? Die geht wie? Die geht so:
[erst hier:] Bam-ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram
bam, bam, bam, bam ba-ram
Ob sechs ob viere, die Ouvertüre
Klingt in der Früh‘ und spät am Tage
Für unsre Sause, vor vollem Hause
Als Auftaktauftakt ohne Frage.
Wir sehen doch die Noten in jedem Notenbuch,
Hollari, hollari, hollaro!
Bleibt’s denn wie bei Untoten bei einem bösen Fluch?
Hollari, hollari, hollaro!
Es bleibt nicht beim Gerücht, das glaubt man oder nicht,
Doch nur die Tat des Mutigen, nur die besticht!
Und mag’s auch stachlig zugeh’n, davon gibt‘s nie genu(ch),
Nämlich wie? Nämlich wie? Nämlich so:
[noch einmal!] Bam-ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram, ba-ram
bam, bam, bam, bam ba-ram
Man sagt uns ehrlich, sie sind entbehrlich,
Die Auftakttakte und der Auftakt
[Johannes:] „Doch ich sag täglich: Das ist nicht möglich,
ich find‘, das fehlt, und ich beschwer‘ mich!“
Der Auftakt von dem Kaktus gehört zum guten Ton,
Hollari, hollari, hollaro.
Und sei es auf der Bühne, sei es auf dem Balkon,
Hollari, hollari, hollaro.
Denn eig’ntlich ist er Pflicht, weil alles für ihn spricht,
Doch lassen wir darum das Gratulieren nicht,
Denn Benno hat Geburtstag – und darum sind wir froh,
Vivat hoch, vivat hoch, vivat hoch!
Bam ba-ra, ba-ra, ba-ra, ba-ra bam!
Die Premiere klappte gut, der überraschte Benno staunte nicht schlecht. Achten Sie mal darauf, ob Sie beim nächsten Konzert „Flieg, Gedanke“ am 9. März in Spelle und am 4. Mai in Freren das Kaktus–Intro hören!
Im Repertoire der Comedian Harmonists gehört der „Kaktus“ zu ihren größten und unvergessenen Erfolgen und nimmt auch deshalb eine markante Stelle ein, weil er zu den letzten Songs gehört, die die weltberühmte Gruppe aufgenommen hat, bevor sie endgültig in die Schusslinie der nationalsozialistischen Rassenpolitik geriet und Anfang 1935 zur Auflösung gezwungen wurde. Inlandauftritte hatte die „Reichsmusikkammer“ dem Sextett, von dem die breite Öffentlichkeit kaum wusste, dass ihm drei „nicht – arische Mitglieder“ angehörten, schon länger untersagt. Deshalb nahmen die Comedian Harmonists nach ihrer grandiosen Amerika – Tournee im Sommer 1934 zu Hause nur noch wenige Platten auf, u. a. in französischer Sprache das alpenromantische „J’ aime une Tyrolienne“, das die nach Frankreich emigrierten deutschen Erfolgskomponisten Bert Reisfeld und Albrecht Marcuse (später: Marbot) vertont hatten. Eine Woche später sangen die Comedian Harmonists dieses Lied als „Mein kleiner grüner Kaktus“ auf Deutsch, also mit einem von den Komponisten neu verfassten Text. Reisfeld und Marcuse waren Juden und Aufführungen jüdischer Komponisten und Texter waren im Reich verboten, aber das Ensemble konnte den braunen Zensoren noch ein Schnippchen schlagen, indem es ihm gelang, den „Kaktus“ unter „Herda/Dorian“ (Pseudonym für Bert Reisfeld und Albrecht Marcuse) auch in Deutschland herauszubringen.
Worum geht es im Text? Unsere Hauptperson ist wohl weiblich zu denken. Sie besitzt nicht Haus und Garten mit ansehnlichen „Rosen, Tulpen und Narzissen“, sondern nennt nur eine Wohnung mit Balkon ihr Eigen, den lediglich ein kleiner, grüner Kaktus ziert. Und den würde sie notfalls auch zur ihrer eigenen Verteidigung nicht scheuen einzusetzen. Kann man von der Lieblingsblume einer Frau auf ihre Charaktereigenschaften schließen? Das wäre für unsere Dame wenig schmeichelhaft, gilt doch die stachlige Pflanze als abweisend und lässt eine unmittelbare Nähe und Berührung nur unter Schmerzen zu. Man wird sie also – Frau und Kaktus – lieber meiden. Diese Problematik ist ihr sehr bewusst, sie weiß es wohl und möchte deshalb die aufgeworfene Frage gar nicht vertiefen. Somit vermittelt die Besitzerin eher den Eindruck einer einsamen und wenig selbstbewussten Person und dennoch verhilft ihr der Kaktus auf ungeahnte Weise zu einem „Besuch so früh am Tage“ des „Herr[n] Krause vom Nachbarhause“. War ihm die stachlige Pflanze rein zufällig „aufs Gesicht“ gefallen? Jedenfalls entwickelt sich aus diesem unangenehmen Malheur ein Gespräch mit der Aufforderung, den Kaktus künftig nicht mehr auf dem Balkon, sondern anderswo aufzubewahren, um einen Wiederholungsfall auszuschließen: vielleicht ein versteckter Hinweis an die Dame, sich in Zukunft der Nachbarschaft und überhaupt ihrer sozialen Umgebung nicht mehr so abweisend, sondern leutselig charmant zu präsentieren. Da könnte ein freundliches „Hollari–Hollaro–Hallo“ durchaus weiterhelfen!
Apropos kleiner grüner Kaktus: Er fiel uns tatsächlich einmal runter, am Ende eines Konzerts, verabschiedete sich vom vibrierenden Lautsprecher, den er krönte, freier Fall, traf weder einen Herrn Krause noch sonst wen, Bruchlandung, aber überlebt, Umtopf nicht!
Johannes Leifeld