Mit dem Kaktus wieder zu beginnen, bedarf bei diesem botanischen Thema keiner besonderen Begründung. Er grünt ja nicht nur, er vermag sogar zu blühen, es fehlen ihm Blätter, aber dafür hat er Stacheln und deswegen passt der Kaktus nicht so recht in die friedlichen Gefilde floraler Anmut. In dem Lied steht er so ziemlich isoliert da gegenüber den „so zwanzig Arten von Rosen, Tulpen und Narzissen“ und löst sogar Komplikationen aus auf seinem Weg vom Balkon zur Haustür, wo er schließlich dem Herrn Krause vom Nachbarhause „aufs Gesicht“ fällt.

Friedliche Natur löst naturgemäß Sehnsüchte aus, die sich besonders bei den romantischen Dichtern offenbaren. Joseph von Eichendorff hat ihnen Raum verschafft, besonders in dem Gedicht „Sehnsucht“, in einfacher Sprache, aber mit Anmut wirkt es bestrickend und betörend zugleich: Wälder mit immerzu rauschenden Quellen, die unaufhörlich niederstürzen; verwilderte Gärten, dämmernde Lauben; dazu auch unverdächtige Begriffe, wie prächtige Sommernacht, Bergeshang und Felsenschlüfte rufen in der Phantasie tatsächlich Lautenspiel und Brunnenrauschen hervor. Falk hat diese sehnsuchtsgeladenen Rhythmen und Reime stimmungsvoll vorgetragen und dadurch das aufmerksame Publikum nahezu verzaubert.

Damit aber Gärten nicht verwildern, braucht’s den behutsamen Gärtner. Hast und Hetzen, Gefahr und Gefährlichkeit wird man mit dem Blumenmann nicht assoziieren, eher hingebungsvolle Zuneigung an die stummen Blatt- und Blütenträger. Traut man einem Gärtner niederträchtige Mordgelüste zu? Natürlich nicht, und am Ende ist der Mörder auch nicht der Gärtner, wie Reinhard Mey aufdeckt, sondern der Butler. Die bloß scheinbare Gewissheit in Dur, der kriminelle Tathergang in Moll, das Ganze im leichten Dreivierteltakt: Das macht musikalisch den eigentlichen Reiz dieses Liedes aus.

Zu unserem Thema gehören nicht nur Blumen, sondern auch ihre großen Verwandten, die Bäume, in deren Rinden manches Herz mancher Verliebter auf ewig eingeritzt bleibt, oft sind damit besondere Erinnerungen verbunden. Der Baum als Ort der Erinnerung an Kindertage und erste Liebe; der klagende Schmerz, wenn dieser Baum irgendwann nicht mehr da ist: Bekannt ist dieses Phänomen aus manchen Gedichten, wie in Brechts „Erinnerung an die Marie A.“. Wir singen „Mein Freund, der Baum“ der unvergesslichen Alexandra.

Baumrinden müssen nicht nur schmerzhafte Schnitzereien aushalten und verwinden, sondern beherbergen schützend oftmals kleine Lebewesen, wie z. B. Maden, deren friedliche Existenz aber nicht ohne lauernde Gefahren zu denken ist. Davon kündet auf äußerst humorvolle Weise Heinz Erhardts Gedicht „Die Made“, vorgetragen von Johannes.

Mit dem Untertitel „Blätter, Blüten, Kraut und Rüben“ weisen wir ganz ausdrücklich auch auf einen ernährungsorientierten Aspekt hin und damit auf die Ursituation der Nahrungsaufnahme in kultureller Verfeinerung, im Restaurant, in der Darstellung der Kommunikation zwischen einem Gast und fünf Chefköchen. Ausgewählt haben wir für die kleine Szene den „Speisezettel“ von C. F. Zöllner, den wir zu Gehör brachten, und ich kann Ihnen versichern, dass Franz-Josef eine musikalische Menükarte der üppigsten Art gereicht wurde, bestens gewürzt mit pianistischer Feinkunst: „Wünsche wohl zu speisen!“

Gleich vier Lieder sind nicht von ungefähr der Rose gewidmet. Seit der griechischen Antike gilt sie unumstößlich als „Königin der Blumen“ und auch quantitativ kann sie mit ihrer Großfamilie punkten. Die Gattung der Rosaceae umfasst bis zu 150 Arten. Zunächst das „Heidenröslein“. In seiner Dramatik und Schwere (Vertonung von Heinrich Werner) geht es gewaltig unter die Haut. Über den Text, den Goethe als etwa Zwanzigjähriger verfasst hat, bemerkt Peter von Matt kritisch: „Von erotischer Kultur weiß das ‚Heidenröslein’ nichts, ein schauerlich barbarisches Lied, Schönheit und Schändung sind darin gepaart, außerhalb aller Humanität. Man spricht seit über zweihundert Jahren mit Rührung und Entzückung – wie wir mit dem Postkartenkitsch illustrieren! – von dem Gedicht, weil man auf die ersten zwei Strophen hereinfällt, wir in unserer Harmoniesucht eine glückliche Synthese unterstellen, die beiden letzten Verse (der 3. Strophe) einfach verdrängen.“ Goethe selbst hat das Gedicht nie wieder erwähnt.

Ein vergleichsweise moderner Song ist „The Rose“ (1979), vielleicht ein Gegenstück zum „Heidenröslein“, weil es sich gegen die Verunglimpfung der Liebe, sich gegen Angst und Gewalt behauptet, um nach den Unbilden des Winters im Frühling neu zu erblühen. Operettenhaft fröhlich dann die Rosen, die man sich in Tirol und die Claudius musikalisch uns schenkt. Am Ende des ersten Teils die beruhigende Gewissheit: „Auf dem Mond, da blühen keine Rosen“, und ganz am Schluss des Konzerts „Weiße Rosen aus Athen“, bei dem Antonius so herrlich den Klang der Bouzouki zu imitieren weiß.

Von Rosen – ob weiß oder rot – mit Beginn des zweiten Teils der Wechsel zum Grün, wie es der Titel fordert. In einem witzig geistreichen Dialog muss nun Antonius ein kleines Sprachexperiment über sich ergehen lassen, wie man es im Prinzip aus dem Musical „My fair Lady“ her kennt. Aus „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“ erwächst anfangs bloß ein komisch plattdeutsches „Et grönt so grön, wenn Sponiens Blöten bleiet“, dann aber schließlich nicht nur die einwandfreie hochdeutsche Version, sondern auch die musikalische Hinführung zum Lied, obwohl ihn Johannes und Falk als Waldorf und Statler ständig mit irgenwelchen irrwitzigen Einsprengseln nerven.

Ringo Starr wirkte schon immer etwas älter als seine Kollegen. John war scharfsinnig, Paul talentiert und George Indien-Wallfahrer. Während Ringo manchmal traurigen Blicks die Trommeln schlug wie ein korrekter Beamter, der seinen Dienst tat, schienen sich die anderen zu amüsieren; dabei hätte er die Macht gehabt, sie alle aus dem Rhythmus zu bringen. Es gibt nur zwei Songs von Ringo. Auf „Octopus’s Garden stieß er, als ihm beim Tauchen auffiel, dass Kraken im Meer vor ihren Höhlen tatsächlich Gärten anlegen. Mit diesem wohlklingenden Lied schlüpften wir auch äußerlich in die Hippie-Zeit der Sechziger und der schmale Spagat, Flower-Power-Ausgelassenheit (Good Morning, Starshine; Butterfly etc.) mit nachdenklich berührenden Antikriegsliedern wie „Where have all the flowers gone“ etc. zu verbinden, ist uns wohl gelungen.

Als Vorlage für den traditionellen Gag diente diesmal Otto Reutters „Blusenkauf“, den wieder einmal Franz-Josef mit viel Geschick und Witz in einen „Blumenkauf“ verwandelt hat. Auf der Bühne jede Menge Situationskomik, von den Plätzen viel Applaus.

Ein langes Konzert, aber dicht, Räume und Träume öffnend, mal melancholisch nachdenklich, mal sachlich, mal ausgelassen mit leichtem Blick auf die Schönheit der Natur, ohne Auto auf der Chaussee, wie es in der Zugabe „Wochenend und Sonnenschein“ heißt, mit dem festem Wunsch, dass sie, die Natur, noch lange blühen und grünen möge.

Johannes Leifeld

Franz-Josef Hanneken (2019)

Der Blumenkauf

Solo (nach der Melodie: Blusenkauf, Otto Reutter, 1927)

In so manchen Lebenslagen
Lässt manches sich mit Blumen sagen.
Doch weil die nicht stets sind zur Hand,
Wird schnell ins Blumeng’schäft gerannt.

Dortselbst empfängt dich Blumenduft,
Es riecht leicht modrig wie die Gruft.
Und du musst erstmal kräftig niesen,
Weil hier ja viele Blüten sprießen.
Und schaust dich blinzelnd um
Und fühlst dich ziemlich dumm.

Denn Vasen hier und mancher Topf,
Die machen schwindlig dir den Kopf
Vor Blumen, Blüten ohne Zahl,
Es bleibt dir nun die Qual der Wahl.

Nun musst du dich entscheiden schnell,
Weil sie ja wartet an der Stell‘.
Du fragst dich grübelnd: „Was wär‘ nett?
Mag sie am liebsten violett?
Oder mehr die blassen?
Muss mich beraten lassen.“

Chor
(nach: Superkalifragilistisch expiallegorisch, aus Mary Poppins, 1964)

Ja, vielleicht Pantoffelblumen oder Gladiolen
Oder Wicken oder Veilchen, die sich schnell erholen,
Oder Rosen oder Tulpen, Myrten oder Nelken
Oder Mohn und Klee und Astern, die nicht schnell verwelken.

Solo:

Ach je, was sollst du da nur sag‘n
Oder ´raus und schnell nachfragen?
Schnittblumen sind ja sehr wertig,
Doch im Topf wär‘ alles fertig.

Das wär was für die Fensterbank
Und dafür gäb es länger Dank.
Vergissmeinnicht und Tausendschön,
Die könnt man dann viel länger seh’n.
Doch musst den Topf Du tragen,
Drum besser nochmal fragen …

Chor:

Ja, vielleicht ein Ringelblümchen oder Hyazinthen
Oder Mohn mit Anemone, die hab’n wir hier hinten,
Margeriten gehen immer oder Sukkulente,
Denn die halten mindestens bis zur Altersrente.

Solo:

Ach, das wird schwer, du merkst es jäh,
Wenn ich mit’m Kaktus vor ihr steh‘,
Ist das vielleicht der falsche Wink
(`ne Blume ist kein Ehering).

Vielleicht was Nützliches, ein Kraut,
Wonach man in der Küche schaut,
Ob Petersilie, ob Dill,
Man braucht davon meist nicht so viel,
Jedoch in kleinen Prisen
Ist‘s immer zu genießen.

Chor:

Ja, vielleicht der Sauerampfer oder Pimpinelle
Oder Schnittlauch, denn das braucht man ja auf alle Fälle,
Oder Kapuzinerkresse oder Estragone
Oder Lorbeer, weil geflochten auch für’s Haupt als Krone.

Solo:

Ja, das wär sicherlich geschickt
Und beinah hättest du genickt,
Doch andrerseits: Wähl mit Bedacht,
Weil man hier leicht `nen Fehler macht.

So denkst du dir, auch drängt die Zeit.
Ist sie zu warten wohl bereit?
Hier drinnen ist es warm und schwül,
Doch draußen wird es langsam kühl.
Jetzt gibt es gar noch Regen,
Für Blumen nur ein Segen.

Chor:

Und wir schließen gleich, Sie sollten jetzt bald etwas nehmen,
Schließlich haben wir zum Beispiel schöne Chrysanthemen
Oder Flieder oder Lilien oder Sporn vom Ritter,
Denn wir hören, draußen gibt es jetzt auch ein Gewitter.

Solo:

O Schreck, es ist noch nicht getan.
Du siehst dir zwar die Blumen an,
Doch schwirrt es dir im leeren Hirn
Und Panik klopft dir an die Stirn.

Im Tosen, Brausen fällt sie um.
Es kracht der Blitz, doch sie bleibt stumm.
Du zauderst, bangst, man trägt sie fort,
Wohl fort zu jenem dunklen Ort

Unter des Grabes Krumen.
Auch dafür brauchst du Blumen.

Chor:

Wenn du Blumen schenken möchtest, spute dich beizeiten,
Damit sie im vollen Leben auch noch Glück bereiten.
Blumen welken wie das Leben – doch für alle Fälle
Ist die Gärtnerei auch dann noch helfend dir zur Stelle.