Mit dem Kaktus, unsrem alten stacheligen, treuen Freund, geht’s bei unseren Auftritten immer los – genauer: ging es immer los, weil wir ja eine längere, coronabedingte Pause eingelegt haben. Umso größer auch bei uns die Freude, „Gut, wieder hier zu sein“, an den bekannten Orten, vor treuem und vertrautem Publikum zu sein, in Spelle, Freren und Handrup. Das Lied wurde von Konstantin Wecker und Hannes Wader und später auch zusammen mit Reinhard Mey gesungen: Drei Freunde mit einem berührenden Lied über die Freundschaft. Der nächste, gesellschaftskritisch motivierte Song „What a Wonderful World“, ist ein verträumtes Lied über die Schönheit der Natur, über Sonne, Farben, auch über herzliches Miteinander und das kleine Glück gegen Hass, Machtkämpfe und Katastrophen in einer brutalen Welt.
Eine weitere Art der Freundschaft und Solidarität hält der Sport bereit: Der Sport, so heißt es und so hofft man, führt die unterschiedlichen Menschen zueinander und dient der Völkerverständigung. In unser Thema Freundschaft gehört der Sport natürlich unbedingt hinein. Sprichwörtlich ist da die Fußballmannschaft geworden. „Elf Freunde sollt ihr sein“, so auch der Bestseller-Titel des unvergesslichen Sportreporters Sammy Drechsel. Und steht nicht in einer Elf der wichtige Torwart wenigstens an zweiter Stelle, wenn er nicht als Kapitän sogar die Mannschaft anführt wie seinerzeit ein Oli Kahn? Wir haben noch einmal das schöne Lied von Theo Lingen über den gleichnamigen Torwart ausgegraben, der einfach alles hält – ein Held! sozusagen. Der Reportage hat Franz-Josef einen eigenen, witzigen Text verliehen, der ob seiner strapaziösen Länge dem Begleitchor (aah, dum – dum dum) eine gehörige Portion Geduld abverlangt. (Link)
Freundschaft (und Liebe) können manchmal auch durch den Magen gehen wie zum Beispiel „In einer kleinen Konditorei“ (aus dem Jahr 1928 und immer wieder gecovert). Da geht es um zwei Menschen, die einander wortlos verstehen, und der Text insgesamt wie auch die Tango-Melodie legen sehr nahe, dass es sich um ein Liebespaar handelt. Aber auch Liebe kann ja anfänglich Freundschaft gewesen sein. In diesem Lied ist irgendwie alles enthalten, vielleicht beginnend mit der Zuneigung zu Kuchen und Tee, die ja auch prima zueinander passen. Im Übrigen gibt es in diesem Stück so etwas wie Musik in der Musik, weil von einem elektrischen Klavier die Rede ist, das leise klimpert. Und das, nicht das Geklimper, sondern das erzählte Lied ist wiederum ein typisch romantisches Merkmal, das eine gewisse charmante und liebevolle Gemütlichkeit ausstrahlt. Obendrauf gibt es noch eine leise, natürlich leise, heiter ironische Note. Eine Besonderheit im Reimschema, das man bei diesem Lied nur leicht verzögert versteht, ist auffällig:
In einer kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei –

und dann: bei Kuchen und Tee.
Eigentlich würde ja besser passen und aßen ein Ei oder und aßen für drei.  Aber dann wird klar, dass der Reim etwas weiter schweift, hin zu versteh und Weh.

Wir haben die Freundschaft immer in unseren Programmen besungen, meist am Ende – quasi als Zugabe, als das eben nicht Notwendige. Das aber wollen wir ändern, weil unser Programm ausdrücklich der Freundschaft gilt. Und das folgende Lied „Ein Freund, ein guter Freund“ passt zum Motto des Abends auch deshalb gut, weil es uns schon von Anfang an begleitet, dieses Lied von Werner Richard Heymann, das er 1930 für den Film „Die Drei von der Tankstelle“ geschrieben hat. Aber mit Blick auf die kriegerischen Verhältnisse in der Ukraine halten wir es für gegeben und auch für notwendig, eine kleine Textänderung aufzunehmen: statt des Ursprünglichen „auch wenn die ganze Welt zusammenfällt“ schmettern wir solidarisch „auf dass die ganze Welt zusammenhält“…
Das Gedicht „Ergo bibamus“ – platziert kurz vor der Pause – schrieb Johann Wolfgang von Goethe 1810 in Erinnerung an seine frühe Straßburger Studentenzeit. Vorlage war ihm ein mittelalterliches Trinklied aus den „Carmina Clericorum“. Wir singen es nach einem A-Capella-Satz von Max Eberwein.
Was mit Goethe endet, soll mit Schiller fortgesetzt werden. Wenn man so will, ist die „Ode an die Freude“ ebenfalls ein Trinklied, ein Rausch, der Wortrausch („feuertrunken“) geworden ist. Überliefert ist die Szene der Entstehungsgeschichte der Ode mit Freunden im sächsischen Weinberg. „Der Rotwein floss über das ausgebreitete Damasttuch. Schiller rief: ‚Eine Libation für die Götter! Gießen wir unsere Gläser aus!‘ Darauf nahm er die geleerten Gläser und warf sie, dass sie in Stücke sprangen, über die Gartenmauer auf das Steinpflaster mit dem leidenschaftlichen Ausruf: ‚Keine Trennung! Keiner allein!‘“
Das ist tatsächlich echter Idealismus – mit Optimismus und weltumarmendem Humanismus: „Seid umschlungen Millionen“, heißt es ja dann weiter im Text.
„Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein“, so meint Schiller, der soll mitfeiern, mitjubeln, mitsingen, mittrinken; jeder, der auch nur jemanden kennt, der zu ihm hält, an ihn denkt, mit ihm fühlt, und mag er noch so fern sein, gehört dazu. Der Nächste kann noch so weit weg sein, wenn er nur in Gedanken dabei ist. „Und wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus unserm Bund,“ heißt es weiter. Diesen Rausschmiss haben schon die Zeitgenossen kritisiert. Jean Paul hat es deutlich formuliert: „Übrigens würde ich aus einer Gesellschaft, die den herzwidrigen Spruch bei Gläsern absänge, mit dem Ungeliebten ohne Singen abgehen und einem solchen Bunde den Rücken zeigen. Wie poetischer und menschlicher würde der Vers durch drei Buchstaben: der stehle weinend sich in unsern Bund! Denn die liebeswarme Brust will im Freudenfeuer ein arme erkältete an sich drücken.“
Beethovens Vertonung ohne den Schillerschen Text ist heute zur Europa-Hymne geworden. Wir nehmen eine Fassung von Hermann Ophoven, der in seinem langen Leben unzählige Werke in Chorversionen verwandelt hat – hier also von Beet- zu Ophoven. Ob Beethoven Ophoven das zugetraut hätte?
Auch im Stil einer Ode, doch weniger gewichtig, was Pomp und Pathos angeht, kommt das nächste titelgebende Lied daher; es klingt ebenfalls feierlich und hymnenhaft und stammt von der schwedischen Gruppe ABBA, live aufgenommen während der Konzerttour 1979. Es ist ein abgeklärtes Lied, in dem auf eine gemeinsame Zeit und eine Geschichte der Freundschaft zurückgeblickt wird. „You can hear the silence“, nach allen Kämpfen, nach frohen und traurigen Zeiten gibt es eine behagliche Gemeinschaft, die ein Schweigen teilen kann, ein beredtes Schweigen, weil es nicht verschweigt, sondern die gemeinsame Geschichte birgt. Eine „feierliche Freundschaft“ spricht aus diesem Lied.
Allerdings heißt ja Freundschaft nicht bloß, gemütlich beisammenzusitzen, sondern tatsächlich auch in der Not Beistand und eben Freundschaftsdienst zu leisten. Das Motiv der sich in der Not abwendenden Freunde ist alt, weil es wahrscheinlich eine menschliche Grunderfahrung spiegelt. Freundschaft und unbedingtes gegenseitiges Vertrauen sowie Solidarität in Notlagen sind Grundlagen dieser Gemeinschaft. Diesem Phänomen hat Schiller in der Ballade „Die Bürgschaft“ ein unübertroffenes Denkmal gesetzt. Schiller-Parodien waren schon immer sehr beliebt, hier unsere eigene Version. (Link)
Neue Freunde zu finden, ist nicht immer leicht. Vielleicht vermag das deutsche Vereinswesen da Abhilfe schaffen. Eine Gelegenheit bieten manchmal auch die Schützenvereine. Es soll ja vor Jahren tatsächlich einmal ein solcher Verein für neue Mitglieder geworben haben – mit dem Slogan nämlich:
„Lernen Sie schießen und treffen Sie Freunde!“
Mit dem „Jagd-Quodlibet“ begeben wir uns in die Gefilde von Feld und Flur und Wald und Wiesen, die wir dermaleinst auch besungen haben in unserem Programm „Bewegt sich dort etwa am Waldesrand?“. Ob Hegering, ob Jagdgenossenschaft, das waidmännische Wesen birgt ja vielfältige Möglichkeiten freundschaftlichen Miteinanders. Drei verschiedene Jagdlieder werden im Quodlibet kanonartig versetzt gesungen, und wie‘s der Zufall will, finden sich alle drei Doppelstimmen am Ende auf dem Punkt wieder.
In unserem nächsten Lied, das etwas beschwingter daherkommt und sich nicht so gravitätisch gibt wie die „Ode an die Freude“, ist doch auch dasselbe Gewicht wie in der „Bürgschaft“ vorhanden: „You´ve got a friend in me“. Der Film von 1995 ist der erste Kino-Film, der ganz und gar am Computer entstanden ist, seine Welt mit allem und allen darin ist also ganz und gar virtuell, aber ganz und gar nicht unwirklich ist die besungene Freundschaft darin – gegen alle Widrigkeiten.
Dieser Gedanke lässt sich mit hinübernehmen zum nächsten Lied, so wie Menschen die Kindheit mit hinüberretten wollen ins Erwachsenendasein, nicht ganz ungefährlich, weil leicht unernstes und kindisches Getue dabei herauskommt oder weil manche Leute vielleicht nicht erwachsen werden wollen. Aber im Spiel etwa, da bleibt uns etwas von dem Paradies der Kindheit. Und sind nicht in der Musik Kunst und Fest und Tanz vereint? Leo Hasslers „Tanzen und Springen“ aus dem „Lustgarten neuer teutscher Gesäng“ führt in die Renaissance. Der junge Nürnberger Komponist (1564-1612) verbrachte seine Ausbildungszeit in Venedig. Überhaupt zeichnete sich sein Wesen durch eine gewisse Eleganz und Gewandtheit aus, die sich mit venezianischer Lebensweise lebhaft berührt haben mögen. Diese Lebhaftigkeit ist bei diesem Lied deutlich zu spüren.
Vor knapp 50 Jahren, am 22. November 1968, wurde eines der besten Alben der Musikgeschichte veröffentlicht. So bezeichnen Musikexperten das „Weiße Album“ der Beatles – das einzige Doppelalbum der Band. Die vier Jungs aus Liverpool hatten sich damals ziemlich ausgetobt bei den Aufnahmen und für die insgesamt 30 Songs viele Stilrichtungen ausprobiert. Am bekanntesten ist sicherlich das fröhlich-muntere „Ob-la-di – Ob-la-da“, die Geschichte von Desmond und Molly, einem Pärchen, das sich auf dem Markt kennenlernt, heiratet und dann glücklich und zufrieden alt wird. McCartney machte einen fröhlich-sonnigen Song daraus, der im Tonstudio dann allerdings für wenig Freude sorgte. Paul war einfach nicht zufriedenzustellen, John genervt und nach 42 Stunden Probezeit soll der Tontechniker am Ende seinen Job hingeworfen haben.
Mit dem nächsten Fast-Schon-Schlusslied kommt noch einmal eine etwas melancholischere Stimmung hinein, aber doch mit diesem optimistischen Ausblick: „And here’s a hand, my trusty friend.“ Wenn Menschen einander in Freundschaft die Hand reichen, dann gibt es Zukunft. In der bekannten deutschen Version heißt das Lied: „Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer.“ Das ist im Ton etwas gedämpfter. Wir singen die alte originale englische Fassung, in der an die alten Zeiten erinnert wird, woraus dann das Zukünftige bestanden werden kann. Und dann irgendwie zuversichtlich: Wir nehmen einen Becher Freundlichkeit/Güte (einen guten Trunk), den wir mit dem Lied einzuschenken und gut gefüllt zu reichen hoffen.
Mit Reinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“, das er vor 50 Jahren geschrieben hat, klingt unser Konzert aus. Ein passendes, innig-ruhiges, mit triolenhaften Figuren in Refrain und Strophe leicht ausgeschmücktes Stück, dem nichts mehr hinzuzufügen ist.

Franz-Josef Hanneken/Johannes Leifeld